Knarzende Dielen, alte Werkbänke und Wände die Geschichte erzählen könnten. Geht man gemeinsam mit Florian Lang durch das Verlegerhaus im Herzen von Oberammergau spürt man seine Verbundenheit mit dem historischen Gemäuer. Seit 2006 führt er das Familienunternehmen „Georg Lang sel. Erben“ in 7. Generation, dessen Firmensitz seit dem Jahr 1838 hier beheimatet ist.
In diesem Jahr feiert die Firma 250-jähriges Jubiläum – ein Ereignis auf das Florian zu Recht stolz ist. Dies spürt man besonders, wenn man dank seiner Erzählungen etwas in die Familien-Geschichte eintauchen kann:
„Wenn man beginnt sich einmal vorzustellen, wie die Welt vor 250 Jahren aussah, wird einem erst richtig bewusst, über was für einen Zeitraum wir sprechen. 1775 bricht der amerikanische Unabhängigkeitskrieg aus und laut mehreren verschiedenen Quellen findet in Deutschland der letzte Hexenprozess statt. Oberammergau hat zum damaligen Zeitpunkt 900 Einwohner – davon arbeitet ungefähr die Hälfte im Kunsthandwerk“ so Florian Lang.
Ebenso Georg Lang. Als er im selben Jahr seinen Holzschnitzwarenverlag gründet, ist dieser spezialisiert auf die Herstellung und den Vertrieb von Spielzeug. Bereits um 1800 hat das Unternehmen ein beträchtliches Sortiment aufgebaut, das gewiss viele Kinderaugen zum Strahlen bringt: Besonders gefragt sind Frachtwagen mit hölzernen Transportkisten und geschnitzten Fuhrleuten. Ein großer Erfolg sind auch die Bewegungsspielzeuge.
Auch als Johann Evangelist Lang die Firma 1825 von seinem Vater Georg übernimmt und das einstige Kleinunternehmen zu einem der größten Geschäfte in Oberammergau ausbaut, bleibt die Spielwarenproduktion weiterhin Schwerpunkt. Bereits sein Vater hatte das Sortiment jedoch um Krippen und Heiligenfiguren erweitert.
Florian Lang zeigt auf ein altes Buch, das vor ihm auf einer Kommode liegt: „Wir haben mal ein paar Zahlen zusammengerechnet“, sagt er und deutet auf eine computergeschriebene Aufstellung neben einem in altdeutscher Schrift verfassten Original-Auftragsbuch. „In den Jahren 1830, 1831, 1837, 1838 und 1839 haben laut diesem insgesamt 188.451 Stück Fadengaukler – heute besser bekannt als Hampelmänner – das Geschäft verlassen.“
In einer Ausstellung, die Florian Lang anlässlich des Jubiläums in den Räumen einer der alten Werkstätten zusammengestellt hat, lassen sich zahlreiche solcher spannenden Relikte aus der bewegten Familien- und Unternehmensgeschichte entdecken.
Besonderer Blickfang ist ein eingerahmter Brief mit wahrlich königlichem Absender: eine Bestellung im Namen von Königin Therese von Bayern. Am 7. Dezember 1852 ordert sie für das bevorstehende Weihnachtsfest eine Festung mit 200 beweglichen Soldaten – ein Geschenk für ihren Enkel Prinz Ludwig, den späteren König Ludwig II. von Bayern.
Mit wachsender Bekanntheit der Passionsspiele und dem zunehmenden Passions-Tourismus wird die Oberammergauer Schnitzkunst immer mehr zum Sinnbild religiöser Holzarbeiten. Dies spiegelte sich auch im Sortiment der Firma unter der Leitung von Guido Lang (1856-1921) wider, der mit dem weiter fortschreitenden Wandel in der Produktpalette auf die Erwartungen und Wünsche der damaligen Kundschaft reagiert. Kruzifixe, Kapellen, Krippen, Statuen und Prozessionsartikel sind aus dem Sortiment nicht mehr wegzudenken und werden in die ganze Welt verschickt. Der Trend geht dabei weg von vornehmlich kleinformatigen Figuren hin zu Großplastiken und sogar kompletten Kirchenausstattungen.
Genau wie seine Vorfahren ist Florian Lang selbst gelernter Holzbildhauer, absolvierte seine Ausbildung an der Schnitzschule in Oberammergau und arbeitete anschließend im väterlichen Betrieb. 1984 absolviert er seine Meisterprüfung und führt seitdem den Meistertitel im Holzbildhauerhandwerk. Seine Arbeit ist dabei ebenfalls stark von kirchlichen Motiven geprägt, die bis heute das Herzstück der Produktion bilden. Obwohl er nur noch selten selbst zum Schnitzmesser greift, wird das Schnitz-Handwerk in den Werkstätten der Firma „Georg Lang sel. Erben“ bis heute lebendig erhalten.
Erwerben kann man die Werke im unternehmenseigenen Laden – nach wie vor zu finden im Verlegerhaus in Oberammergau.
Wer einmal selbst in die Geschichte der Firma Georg Lang sel. Erben eintauchen möchte, kann dies noch bis Ende des Jahres tun. Die Ausstellung zum 250-jährigen Jubiläum ist immer mittwochs von 10 bis 12 Uhr geöffnet und bietet einen spannenden Einblick in die Firmengeschichte, die Höhen und Tiefen des Unternehmens sowie die Bedeutung des Handwerks für die Region.




